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יום ראשון, 13 בינואר 2013

Antisemitismus-Debatte: Israel gehört nicht seiner Regierung

Der Fall Jakob Augsteins beleuchtet wieder ein Thema, das seit Jahrzehnten die Welt, vor allem Deutschland beschäftigt: Wie kritisiert man Israels Politik, ohne dabei ein Antisemit genannt zu werden? Das Simon-Wiesenthal-Zentrum (SWZ) scheint zu sagen: „Gar nicht.“ Damit folgt das SWZ einer beliebten Strategie zur Delegitimierung von Israels Kritikern, die sowohl von der Regierung und den israelischen Rechtsnationalisten als auch von unterschiedlichen Israel-Freunden weltweit benutzt wird.

Ihre Mittel sind klar. Das erste ist die Gleichsetzung von Netanjahus Regierung mit dem Staat Israel an sich. „Time Magazine“ hatte im letzten Mai leider völlig recht, als es Netanjahu zum „King Bibi“ auf seinem Titelblatt krönte. Denn wer sich gegen Netanjahu oder seine Spießgesellen äußert, wird als Feind Israels bezeichnet. L’État, c’est moi.
Das zweite Mittel ist, den Staat Israel mit allen Juden der Welt zu verbinden. Denn man kann nicht Augstein (beziehungsweise jedem anderen kritischen Leitartikler) Antisemitismus vorwerfen, ohne zu glauben, dass Zionismus Menschenliebe und Antizionismus (oder einfach das Hinterfragen des Zionismus) Judenhass bedeuteten. Dass viele Juden, darunter viele Israelis, Israels Regierung und ihre Verbrechen verabscheuen, wird selbstverständlich verschwiegen. Auch die Tatsache, dass viele davon post- oder sogar antizionistisch sind; denn jüdische Postzionisten, denen man Antisemitismus keinesfalls vorwerfen kann, passen einfach nicht ins Bild. Dafür werden sie innerhalb des Landes als Verräter diffamiert.

Die Logik lautet: Wenn man nicht auf jeden Einfall von Israels Regierung eingeht, wird das außer Gefecht setzende Wort „Antisemitismus“ wieder in den Ring geworfen. Denn wer sich gegen illegale Siedlungen, die Unterdrückung von arabischen Landwirten oder die Drohung, einen Atomkrieg mit Iran auszulösen, ausspricht, muss ja auch wollen - wie es Netanjahu mit seiner demagogischen Rhetorik wiederholt -, dass „all die Juden ins Meer geworfen“ werden sollten. Dabei bedient sich die Diskussion immer wieder des erprobten Mittels, gegen das nicht zu argumentieren ist, schon gar nicht in Deutschland: des Holocausts.

Die dichotomischen Rollen von Täter und Opfer, die durch die Bildungssysteme in Deutschland und in Israel verewigt werden, darf niemand bestreiten. Sie spiegeln sich durchaus in der deutsch-israelischen Diplomatie. Deutschlands Kollektivschuld, die von Generation zu Generation vererbt zu werden scheint, lässt kaum Spielraum zur Kritik an einem Land, das seine Existenz als Wiedergutmachung an allen Juden der Welt darzustellen meint.

Ein Beispiel dafür gab es erst kürzlich, als Deutschland sich bei der UN-Abstimmung über Palästinas Status als Beobachterstaat bei den Vereinten Nationen der Stimme enthielt. Was selbst der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte, wagte die deutsche Regierung nicht zu wiederholen. Als der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nach seinem Besuch in Hebron letztes Jahr die Besatzung als Apartheid bezeichnete, wurde er wegen seiner Wortwahl angegriffen und als Antisemit beschimpft. In der Tat benutzte er einen Begriff, der laut einer Umfrage in der Zeitung „Haaretz“ teilweise oder völlig von achtundfünfzig Prozent der Israelis akzeptiert ist.

Wahrscheinlich nur in Deutschland kann eine solche Kritik als Antisemitismus interpretiert werden. Und wenn man gegen einen deutschen Journalisten diese Anklage erhebt, wird es doppelt so schwierig, seinen guten Namen wiederherzustellen. Denn Deutschland kommt von der Erinnerung an den Holocaust genauso wenig los wie Israel, wenn auch auf umgekehrte Weise. Vielleicht ist die Zeit endlich reif zu sagen: Der Zweite Weltkrieg ist vorbei. Lass uns über die Gegenwart reden.

Frankfurter Allgemeine (FAZ), 07.01.2013

יום חמישי, 30 באוגוסט 2012

"Das weiße Band": Kassenschlager

In den vergangenen Monaten liefen zwei Filme in Israel, für die es fast unmöglich war, Kinokarten zu bekommen. Der eine war Avatar, bei dem der Ansturm mittlerweile abgebbt ist. Der andere ist Michael Hanekes »Das weiße Band«, der von einer kleinen norddeutschen Gemeinde im beginnenden 20. Jahrhundert erzählt, in der sich seltsame und schreckliche Vorfälle ereignen.

Israelis, die Das weiße Band noch nicht gesehen haben, sollten sich lange im Voraus festlegen, wann sie das tun möchten. Denn wer auf Spontanität setzt, hat zumeist verloren: Er steht in einer langen Schlange vor der Kinokasse, an der die meisten ihre vorbestellten Karten abholen. Niemand vom israelischen Filmverleih hätte gedacht, dass dieser Streifen eine derartige Wirkung auf das heimische Publikum haben würde. In der Regel genießen ausländische Filme im jüdischen Staat nur wenig Aufmerksamkeit, ausgenommen Hollywood-Produktionen.

In Israel sind Untertitel die häufigste Art der Übersetzung, synchronisiert wie in Deutschland wird in der Regel nicht. Was steckt dann hinter dem Erfolg von Das weiße Band? Auf den ersten Blick erscheint die Handlung des vielfach prämierten Dramas – soeben ist es beim Deutschen Filmpreis in zehn Kategorien ausgezeichnet worden – allgemeingültig: Eine Geschichte strenger Erziehung, die in vielen Kulturen üblich war und ist; eine Geschichte von sexuellem Missbrauch, die überall passieren kann; eine Geschichte von gestörten Familien, die in jeder Gesellschaft vorkommen. »Überall, wo der Film gezeigt wurde, fanden die Leute etwas, auf das sie sich beziehen konnten«, sagt Produzent Stefan Arndt im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Wir wollten dem Publikum nicht von vornherein erzählen müssen, was es denken muss.«

Weißes Band, schwarzes Band Am 11. Februar kam der Film in die israelischen Kinos. Einen Tag zuvor schrieb Yair Raveh, Filmkritiker der Zeitschrift »Pnaj Plus«: »Es ist eine Geschichte über Kinder aus Deutschland im Jahr 1914. Jene Kinder, die 20 Jahre später erwachsen sind und Hitler ins Amt bringen werden; die das weiße Band an ihrem Arm gegen ein schwarzes austauschen werden. Die Kinder, die nicht mehr hinter dem Rücken der Erwachsenen die Schwachen missbrauchen, sondern es als Teil offizieller Politik deklarieren.« Am 15. Februar analysierte Uri Klein, Kritiker der »City Mouse«: »Eine Sache im Film ist zweifellos das Wissen darüber, was wenige Jahrzehnte später in Deutschland geschehen wird.«

Im März ging jeder, der sich »Das weiße Band« anschaute, höchstwahrscheinlich vor diesem Hintergrund ins Kino. Vielleicht, weil es der erste Film war, der über den Holocaust sprach, ohne ihn direkt zu benennen. Ohne Uniformen, ohne Züge, ohne KZs, ein anderer Blickwinkel auf die damaligen Schrecken.

»Haneke sagt immer: Der Film ist die Startrampe, aber abspringen wollen muss das Publikum selbst«, erzählt Arndt. »Das weiße Band« mag ein Indiz dafür sein, dass die Narbe im Gedächtnis der israelischen Gesellschaft nach wie vor tief ist.

Jüdische Allgemeine, 26.04.2010

Der Mittler von Nürnberg

Richard W. Sonnenfeldt, der Chefdolmetscher der amerikanischen Ankläger bei den Nürnberger Prozessen, ist tot. Er starb am vergangenen Wochenende im Alter von 86 Jahren in Port Washington bei New York. Als erst 22-Jähriger wirkte Sonnenfeldt nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Nürnberg bei zahlreichen Verhören der 21 angeklagten NS-Hauptverbrecher wie Hermann Göring, Rudolf Heß, Joachim von Ribbentrop und Julius Streicher mit.

Sie seien alle nur feige gewesen, »kleinbürgerliche Kriecher«, sagte Sonnenfeldt später. »Ich war viel zu überrascht: Da saßen diejenigen, die die ganze Welt in einen schrecklichen Krieg gestürzt hatten – und waren doch nur ganz, ganz ordinäre Leute.« Der Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz, Rudolf Höß, habe in den Amerikanern seine »neuen Vorgesetzten« gesehen, »also hat er uns alles bereitwillig erzählt, jedes Detail – und er hat über seine Arbeit geredet, als wäre er der Leiter einer großen Maschinenfabrik gewesen«, erinnerte sich Sonnenfeldt in seiner Autobiografie, die im Jahr 2003 unter dem Titel Mehr als ein Leben erschien.

Richard W. Sonnenfeldt wurde 1923 in Berlin geboren. Die Familie wohnte in Gardelegen bei Magdeburg. Die Mutter war Ärztin. Weil es ihr sicherer erschien, ihre Kinder in einer modernen Klinik zu gebären, kamen Richard und sein Bruder Helmut – er wurde später einer der engsten Mitarbeiter von US-Außenminister Henry Kissinger – in Berlin zur Welt.
Im August 1938 floh Sonnenfeldt, gerade 15 Jahre alt geworden, mit seinem Bruder nach England. Über Australien und Indien gelangte er auf abenteuerlichen Wegen in die USA. Dort meldete er sich freiwillig zur Armee, kämpfte von Frankreich aus bei den Truppen, die das Konzentrationslager Dachau befreiten.

Nach seiner Militärzeit studierte Sonnenfeldt in Baltimore und machte eine Karriere als Elektroingenieur. Er war maßgeblich an der Erfindung des Farbfernsehens und der Videodisk beteiligt und arbeitete an Projekten, die die erste Mondlandung der US-Luft- und Raumfahrtbehörde NASA vorbereiteten.

Jüdische Allgemeine, 15.10.2009